Das haben die Südtiroler – ein stolzes, alpines Volk, das im Laufe der Geschichte einiges über sich ergehen lassen musste. Der blaue Kittelschürz, getragen, wohl bemerkt, von den Männern, dient als Symbol dieses Fleißes. Viele Familien leben noch vom „Hof“ – die Streusiedlungen mit Weide, Apfelgarten und Weinberg, die das Südtiroler Landschaftsbild prägen. Aus Südtirol kommt sogar ein Zehntel der gesamten europäischen Apfelernte (im September bilden sich öfters „Staus“ von Autos in den engen Straßen, die sich hinter einem mit Äpfeln vollgeladenen Traktor gedulden müssen). Als Weinerzeugerregion ist Südtirol aber weniger wichtig in der globalen Szene. Es gibt lediglich 5000 Ha in Südtirol, dafür aber 5500 Winzer. Von dieser „Kleinteiligkeit“ profitieren die Winzergenossenschaften, die in Südtirol 88% der Weinproduktion bewirtschaften. Aber sie bezahlen gute Preise an die Winzer und sind hoch professionell, was Qualität und Vermarktung angeht. Nur vom Aussehen her würde man meinen, dass die Winzergenossenschaften mit Prunk und moderne Architektur einander übertrumpfen wollen. Offensichtlich haben die Architekten hierzulande keine Existenzängste.
Andi Sölva ist ein gutes Beispiel der Südtiroler Eigenschaften. Tagsüber arbeitet er bei der Versuchsanstalt Laimburg, in seiner „Freizeit“ keltert er das Ergebnis seiner 1,3 Ha (so ist er quasi einen „Garagiste“). Aber anders zu seinen Eltern, kommen diese Trauben nicht in die Hände der Winzergenossenschaften. Im engsten Raum, ursprünglich wirklich eine Garage, aber jetzt erweitert, macht er Weine mit Tiefgang und Einzigartigkeit. Aus Vernatsch, was auch in Deutschland unter den Namen Trollinger stiefmütterlich betrachtet wird, kreiert er eindrucksvolle Weine, die weit weg vom üblichen Südtiroler Stil sind (das erste Mal, dass ich in Südtirol war, fragte ich nach dem „Rosé, der alle andere hier im Restaurant trinken“ – das war der roter Vernatsch). Besonders spannend ist sein „Erbe & Auftrag“, ein konzentrierter, vielschichtiger und hochprozentiger (15,5%) Kalterersee Vernatsch mit Aromen von Veilchen und getrockneten Pflaumen zusammen mit etwas Preiselbeer und einem Hauch Kakao und Bitterschokolade. Dieser Wein ist das Erzeugnis leicht eingetrockneten, spätgelesenen Trauben der 80-100 Jahre alte Pergola-Reben und passt in zwei Barriques.
Andi muss ja Weine machen, die sich von der Qualität und dem Stil der Genossenschaften abheben. Sonst hat er keinen „raison d’être“. Weißburgunder findet man fast überall in Südtirol und der Wein ist eine Art „everybody’s darling“. Andi’s „Wir mussten Künstler sein“ Weißer Burgunder ist in einer ganz anderen Liga. Er nimmt vollreife Trauben von einer kühlen Lage, wo es Fallwinde vom Mendelgebirge gibt. Er mazeriert 10-15% in großem alten Holz und lässt den fast fertigen Wein bis Juli auf der Feinhefe liegen, um mehr Schmelz und Komplexität zu gewinnen. Die Stilistik erinnert an Burgund und genau wie die Weine aus Burgund, braucht dieser Wein Zeit, um sich zu entwickeln. Der Name „Wir mussten Künstler sein“ ist eine Hommage an die bewegte Geschichte Südtirols und zeigt Kalterer Winzer, mitunter sein Vater, aus den 50er Jahren. Damals war es nicht leicht, als deutschsprachiges Bergvolk in Italien integriert zu werden und Weinmachen war etwas Frivoles.
Aber ohne Fleiß, kein Preis.